Den eigenen Blutzuckerspiegel innerhalb definierter Grenzen zu halten, ist eine der größten Herausforderungen für Menschen mit Diabetes. Da hier viele Faktoren eine Rolle spielen und unter einen Hut gebracht werden wollen, gelingt das leider nicht immer.
Als Mensch mit Diabetes trifft man im Alltag rund 50 therapierelevante Entscheidungen. Da immer ins Schwarze zu treffen erfordert eine gute Portion Diabetes Wissen und manchmal auch ein wenig Glück.
Nicht immer läuft alles wie geplant und es passieren Fehler. Fehler, die mit der Quittung oft nicht lange auf sich warten lassen. Sei es in Form von nicht optimalen Glukosewerten, oder wenn es ganz schlecht läuft, in Form einer Stoffwechselentgleisung. Denn genau darum handelt es sich bei einer diabetischen Ketoazidose, im Fachjargon auch kurz DKA genannt.
Hierbei ist ganz wichtig zu unterscheiden, dass erhöhte Zuckerwerte wohl jeder Mensch mit Diabetes bekommen kann, aber:
Eine akute Stoffwechselentgleisung, also diabetische Ketoazidose, tritt nur bei einem absoluten Insulinmangel auf.
Dies betrifft im klassischen Sinne also Menschen mit Typ-1-Diabetes oder Menschen, die aus anderen Gründen gar keine eigene Insulinproduktion mehr haben.
Bei Typ-2-Diabetes gibt es diesbezüglich Entwarnung, da es hier in der Regel immer noch eine Restproduktion an Insulin gibt, die eine absolute Entgleisung der Stoffwechsellage mit schwerer Ketoazidose verhindern würde.
Fettabbau ausgelöst durch absoluten Insulinmangel
Ist der Glukosewert über einen längeren Zeitraum zu hoch, ist das meist eine Folge von Insulinmangel. Ohne Insulin kann unser Körper die Glukose in unserem Blut nicht in die Zellen befördern. Hält dieser Zustand länger an, beginnt unser Körper damit seine Energiereserven anzuzapfen. Der Körper baut also vermehrt Fett ab.
Was bei oberflächlicher Betrachtung als ein eher zu begrüßender Umstand daher kommt, birgt allerdings eine nicht zu unterschätzende Gefahr mit unter Umständen lebensbedrohlichen Ausmaßen. Durch den vermehrten Fettabbau entstehen Fettsäuren, die der Körper nur unvollständig abbauen kann. Als sinnbildliches Abfallprodukt des Fettstoffwechsels verbleiben Ketonkörper im Blut.
Ketone durch Fasten oder Sport
Ketone können übrigens auch durch Fasten, intensiven Sport oder eine sehr kohlenhydratarme Ernährung bei jedem Menschen im Blut entstehen. Üblicherweise ernährt der Körper die Zellen mit Glukose aber wenn diese knapp wird, steigt der Körper pfiffiger weise auf Fette als Energielieferant um. Bei so manchem Einem sogar einfach schon während der nächtlichen Essenspause sodass morgens nüchtern Ketone im Blut nachweisbar sein können.
Dies ist dann jedoch kein Anzeichen für eine beginnende Ketoazidose sondern nur ein Zeichen, dass mehr Fette verstoffwechselt werden, was an sich weiter nicht besorgniserregend ist und von dem Ein oder Anderen sogar begrüßt wird.
Der springende Punkt ist nun aber, dass dieser Fettabbauprozess nicht durch einen Mangel an Insulin ausgelöst sein darf. Bei einem Insulinmangel und erhöhten Ketonwerten hingegen ist Glukose im Blut vorhanden und daher kann man auch die hohen Werte messen .
Der Körper bekommt diese jedoch nicht in die Zellen und verbrennt daher ungebremst viel zu viele Fette, um den Körper mit Energie zu versorgen. Diese Fettverbrennung läuft dann so unkontrolliert ab, dass viel zu viele Ketonsäuren entstehen und dann in Folge das Blut zu stark ansäuern. Alle wichtigen Enzyme können dann nicht mehr funktioniert und es kann schnell lebensgefährlich werden.
Merke: Ketone im Blut zu haben ist nur dann bedenklich, wenn auch gleichzeitig ein absoluter Insulinmangel besteht.
Gefahren einer Diabetischen Ketoazidose
Diese Ketonkörper sind Säuren wie Azeton Azetat, Beta-Hydroxybutyrat und Aceton, die bei gesteigerten Vorkommen unser Blut übersäuern. Beim Überschreiten der Nierenschwelle von etwa 180 mg/dl / 10 mmol/L entledigt sich unser Körper der überschüssigen Glukose im Blut und scheidet diese zusammen mit den Ketonen über den Urin aus.
Durch den vermehrten Flüssigkeitsverlust kann es ohne Gegenmaßnahmen zu einem Wassermangel im Körper kommen.
Die Übersäuerung des Blutes kann zu einem diabetischen Koma inkl. Bewusstlosigkeit führen. Eine ausgeprägte DKA kann in der Regel nur auf der Intensivstation behandelt werden. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen kann ein diabetisches Koma tödlich enden.
Daher ist es wichtig, die Anzeichen einer beginnenden DKA zu kennen um bei deren Auftreten sofort handeln zu können. Dazu im unteren Abschnitt mehr.
Mögliche Ursachen einer Ketoazidose
Eine DKA wird durch einen absoluten Insulinmangel hervorgerufen. Es gibt einige Ursachen, die einen Insulinmangel begünstigen.
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Die falsche oder ungenügende Dosierung von Insulin, keine Korrekturen bei erhöhten Glukosewerten.
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das Weglassen von Insulin
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erhöhter Insulinbedarf z.B. durch Krankheit oder Infektion
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hormonelle Schwankungen, die mehr Insulin erfordern
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Stress, Ärger, Sorgen
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verstopfte Pen Nadel
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unwirksames/ abgelaufenes Insulin
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unzureichende Glukosemessungen
Bei Insulinpumpenträgern:
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verstopftes oder undichtes Infusionsset
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Kanüle liegt in verhärtetem Hautbereich
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leeres Infusionsset (Füllen vergessen)
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Luftblasen im Infusionsset
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abgeknickte Teflonkanülen oder Kanüle aus der Haut gerutscht.
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Entzündungen an der Infusionsset-Einstichstelle
Wie erkennt man eine diabetische Ketoazidose?
Anhaltend hohe Glukosewerte von über 250 mg/dl / 14 mmol/l gepaart mit erhöhten Ketonwerten, solltest du unbedingt ernst nehmen (Quelle: S3- Leitlinie der DDG). Ganz besonders beim Auftreten einer oder mehrerer der folgenden Anzeichen. Die Symptome einer Ketoazidose sind vielfältig und treten nicht zwangsweise gemeinsam auf.
Typische Symptome einer diabetischen Ketoazidose
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tiefes Atmen (Kussmund Atmung)
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Azetongeruch der Atemluft
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starker Durst
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häufiges Wasserlassen / vermehrtes nächtliches Wasserlassen
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Sehstörungen
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Müdigkeit, Schläfrigkeit
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Benommenheit
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Übelkeit mit Erbrechen
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Bauch oder Unterleibsschmerzen
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Muskelschmerzen, Muskelschwere
Wann und wie messe ich Ketone?
Ab einem dauerhaft erhöhten Blutzuckerwert von 250 mg/dl / 14 mmol/l solltest du unbedingt einen Keton Test durchführen.
Sollte der Glukosewert also nach der Mahlzeit (postprandial) einmal nach oben schießen, weil es mit dem Kohlhydratschätzen nicht geklappt hat, muss man sich nicht gleich um eine Ketonmessung bemühen, den erhöhten Blutzucker mit Insulin so korrigieren, wie es mit deinem Ärzteteam besprochen wurde.
Mehr zum Thema postprandiale Glukose, also erhöhte Blutzuckerwerte nach dem Essen, findet ihr in diesen Artikeln:
Postprandiale Glukose – warum der Blutzucker nach dem Essen so wichtig ist.
Postprandiale Glukose – warum Müdigkeit nach dem Essen nicht zwangsläufig eine Fressnarkose ist
Wenn die Werte jedoch über einen längeren Zeitraum unerklärlich hoch, und/oder oben genannte Anzeichen dazukommen, ist dringend eine Ketonmessung erforderlich.
Im Falle eines Infektes lieber einmal zu oft Ketone gemessen als einen beginnende Ketoazidose zu übersehen.
Für die Ketonmessung benutzt du entweder spezielle Urinteststreifen, oder ein Keton Messgerät. Einige Blutzuckermessgeräte bieten heutzutage ebenfalls die Möglichkeit der Keton Messung mit Hilfe verschiedener Teststreifen.
Ketone im Urin messen
Die Urinteststreifen visualisieren die Übersäuerung im Urin mittels Farbwechsel.
Je nach Keton Konzentration des Urins verfärbt sich der Teststreifen. Anhand einer Farbskala auf der Teststreifendose kann dann die Konzentration abgelesen werden.
Absolut genaue Messwerte erhält man mit dieser Methode nicht, sondern eher eine Aussage darüber, ob sich viele (+++), wenige(++), oder keine (neg.) Ketone im Urin und somit auch im Blut befinden. Nachteil dieser Methode ist die Ungenauigkeit, bzw. der Umstand, dass dieser Test die Ketone nur zeitverzögert im Urin anzeigt.
Ketone im Blut messen
Die zweite Variante, die Messung der Ketone im Blut mittels spezieller Teststreifen für ein Blutzuckermessgerät oder eines Keton Messgerätes ist wesentlich präziser.
Hier erhältst du einen absoluten Wert der Keton Konzentration im Blut.
Ketone im Blut werden in mmol/l gemessen. Das erhöhte Auftreten von Ketonen ist eines der sichersten Anzeichen für eine bevorstehende oder bereits bestehende Ketoazidose.
Wie wird eine diabetische Ketoazidose behandelt?
Die Behandlung einer DKA kann je nach Land, in dem du lebst oder dich gerade aufhältst durchaus unterschiedlich sein. Dies liegt in den unterschiedlichen Gesundheitssystemen und den daraus resultierenden Handlungsempfehlungen begründet.
Während man in Deutschland den Menschen mit Diabetes durchaus zutraut, eine sich anbahnenden Ketoazidose im frühen Stadium selbst zu erkennen und sofortige Gegenmaßnahmen einzuleiten, verfährt man in anderen Ländern komplett anders.
In den USA gilt es zum Beispiel, bei den ersten Anzeichen einer DKA sofort die Notaufnahme aufzusuchen und die Behandlung der DKA in die Hände von Profis zu geben.
Prinzipiell gilt es die Hauptursache, den absoluten Insulinmangel durch die Zufuhr von Insulin zu bekämpfen, sowie die Austrocknung des Körpers durch Aufnahme von Flüssigkeit zu verhindern. Hierzu gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen und Strategien.
Das “Keto Schema”
Welche Strategie du bei einer Ketoazidose anwendest, solltest du mit deinem Arzt bereits besprochen oder in einer Schulung gelernt haben. Falls nicht, wird es höchste Zeit deinen Arzt danach zu fragen!
Wie bereits erwähnt ist man im deutschsprachigen Raum der Auffassung, dass ein Mensch mit Diabetes, wenn er geschult und bei Bewusstsein ist, die nötigen Gegenmaßnahmen selbst einleiten kann. Hierfür stellen die Diabetes Praxen ein sogenanntes “Keto Schema” zur Verfügung. Solch ein Ketoazidose Schema kann je nach betreuendem Zentrum ein klein bisschen anders aussehen.
Ab positiven Testergebnis gilt (Ketone im Urin:++, Ketone im Blut: 1,5 mmol/l):
viel trinken, mindestens einen halben Liter pro Stunde (idealerweise Wasser).
Und vor allem: zusätzliches Insuliin spritzen.
Die Ketone machen insulinunempfindlich und es wird daher deutlich mehr Insulin benötigt. Als Faustregel gibt es die Empfehlung, bis zu 20 Prozent der gesamten Tagesinsulinmenge als kurz wirksames Normal- oder Analoginsulin zu spritzen, oder die doppelte Korrektur einzusetzen
Danach wird alle zwei Stunden der Blutzucker kontrolliert und korrigiert, bis sich der Stoffwechsel normalisiert hat. Körperliche Anstrengung und Einschlafen sind unbedingt zu vermeiden.
Im Falle einer beginnenden Ketoazidose sollte man eine weitere Person informieren.
Wenn der Ketontest auch nach der dritten Insulin Korrektur noch positiv ausfällt und sich der Allgemeinbefinden verschlechtert, sollte man seinen Arzt/ Ärztin oder den Notarzt kontaktieren.
Bei positiven Ketonen in Kombination mit Erbrechen sollte man sich direkt in ärztliche Behandlung begeben.
Für Pumpenträger: die Korrektur bei erhöhten Ketonwerten sollte immer über eienn Pen erfolgen, um ganz sicherzugehen, dass kein Problem bei der Insulinabgabe des Infusionssystem übersehen wurde.
Eine Ketoazidose ist immer ein Notfall und es gilt rasch und konsequent zu reagieren.
Wie kann ich eine diabetische Ketoazidose verhindern?
Es klingt einfacher als es ist. Aber eine gute Blutzuckereinstellung reduziert das Risiko einer diabetischen Ketoazidose bereits erheblich. Siehe hierzu auch unsere Blog Artikel.
Wie häufig gilt, auch hier je besser du deinen Diabetes kontrollierst, umso weniger kontrolliert er dich.
Folgende Punkte können helfen:
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Mindestens 4 x täglich den Blutzucker messen.
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Ketonteststreifen vorrätig haben um Ketone bei hohen Werten zu bestimmen.
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Ketone im Falle von Krankheit, Übelkeit, Bauchschmerzen und Infektionen überprüfen.
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Kennen und Erkennen der Anzeichen einer Ketoazidose.
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Bei Blutzuckermessgeräten: Halbjährliche Kontrolle des verwendeten Blutzuckermesssystems beim Arzt.
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Für Insulinpumpenträger: Katheter alle 2-3 Tage wechseln. Nicht kurz vor dem Schlafengehen setzen und regelmäßig überprüfen.
Weitere Infos für eine gute Stoffwechseleinstellung findest du auch in diesem Blog:
5 Dinge, die du über die Time in Range wissen solltest
Was die Standardabweichung über die Blutzuckereinstellung aussagt
Übrigens kannst du in der mySugr App deine Keton Werte genauso einfach loggen, tracken, und mit Tags wie “Hyper Gefühl“ versehen, wie du das bereits mit deinen Blutzuckerwerten machst. So kannst du beim nächsten Arzttermin einfach dein Handy zücken und mit dem Arzt eine etwaige Anpassung deiner Insulintherapie besprechen.
Nicht zuletzt solltest du deine diabetische Werkzeugkiste immer pflegen und in Schuss halten und dafür sorgen, dass Pen, Pumpe, Katheter und Co ordnungsgemäß funktionieren und bei Bedarf ersetzen.
Quellen:
https://www.diabetes-online.de/a/das-blut-ist-uebersaeuert-und-nun-1760235
https://www.diabetes-ratgeber.net/Insulin/Ketoazidose-Stoffwechsel-ausser-Kontrolle-193991.html
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