Diabetes und Sport ist ein Thema für sich und manchmal stellt sich die Kontrolle und das Management der Blutzuckerwerte oft als viel anstrengender heraus, als die körperliche Ertüchtigung selbst.
Zum einen, weil unser Körper je nach Tageszeit und Trainingszustand völlig unterschiedlich reagiert und zum anderen, weil sich unser Zuckerverlauf auch noch je nach Sportart unterschiedlich verhält.
Da grübelt man nun vor, während und nach dem Sport hin und her, wie man am besten einer fiesen Unterzuckerung oder gar Überzuckerung aus dem Weg geht, und am Ende macht der Zucker doch wieder was er will.
Manchmal sind es auch körperliche Aktivitäten im Alltag, wie z.B. Kinderwagen schieben, von denen wir gar nicht erwarten, dass sie so anstrengend sind bzw. sich deutlich auf den Zucker auswirken können. Aber nicht nur körperliche Höchstleistung führt dazu, dass wir mehr Zucker verbrauchen.
Auch unser Gehirn verbraucht recht viel Zucker. Daher kann es bei intensiven Denkleistungen auch schon mal zu abfallenden Werten kommen.
Was genau bewirkt Sport in unserem Körper?
Bei anaeroben Sport (z.B. Kraftsport, Gewichtheben, Bouldern, aber auch Stop & Go Sportarten wie Volleyball, Tennis und Sprinten) kann der Blutzucker unverändert bleiben oder während des Sports sogar ansteigen und in der Erholungsphase danach wiederum abfallen.
Anaerob heißt, dass den Zellen nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht, um die üblichen Wege der Energiegewinnung zu durchlaufen. Wird in der Muskulatur sehr schnell viel Energie benötigt, nutzt der Körper einen anderen Weg der Energieversorgung.
Hierbei wird Adrenalin freigesetzt, woraufhin aus den muskeleigenen Zuckerspeichern Glukose freigesetzt wird, welcher den Blutzucker schnell ansteigen lassen kann. Insbesondere in Wettkampfsituation passiert dies häufiger. Kleine Korrekturmengen von einem kurzwirkenden Insulin können hier helfen.
Bei aeroben Ausdauersport (z.B. Joggen, Walken, Schwimmen, Rad fahren) kommt es in der Regel zu einem Blutzuckerabfall während des Sports und in der Erholungsphase danach. Bei leichter körperlicher Bewegung wird nur wenig Zucker aus den Zuckerspeichern verbraucht, mit zunehmender Intensität und Dauer steigt der Verbrauch.
Für Sportmuffel und Wiedereinsteiger sind niedrig-intensive Dauerbelastungen ideal, da hier vorzugsweise Fette als Energiequelle genutzt werden können und somit die Zuckerreserven langsamer verbraucht werden. Das lässt uns länger durchhalten und reduziert das Unterzuckerungsrisiko.
Je öfters du trainierst, desto effizienter wird die Muskulatur in der Energieausbeute. Auch Fette können dann gut für die Energiebildung genutzt werden. Und auch der muskeleigene Zuckerspeicher (200 - 400 g) wird größer bei regelmäßiger Muskel-Beanspruchung.
Du kannst also damit rechnen, dass am Anfang einer neuen Sportart die Insulinreduktion oder Kohlenhydratzufuhr deutlich höher sein muss, als im trainierten Zustand!
Was passiert mit meinem Zuckerwerten nach dem Sport?
Nach vollbrachten Muskeltraining, wenn du dich erholst und du das Gefühl genießt etwas für dich getan zu haben, ist für deinen Körper die Arbeit noch lange nicht getan. Besonders nach Ausdauerbelastungen kommt der Muskelauffüll-Effekt zum Tragen.
Deine Kohlenhydratspeicher haben dann noch ordentlich zu tun, um sich wieder zu füllen. Insbesondere 7-11 Stunden nach dem Sport bist du empfindlicher für die Insulinwirkung und hast damit ein erhöhtes Unterzuckerungsrisiko.
Bei mehrtägigen oder extremen Belastungen kann es sogar mehrere Tage dauern, bis der Insulinbedarf wieder wie vor dem Sport ist. Das liegt unter anderem an kleinen insulinunabhängigen Transportern, die helfen den Zucker in die Zellen zu schaufeln, um die Zuckervorräte in Muskeln und Leber wieder zu befüllen.
Tipps um unnötige Berg- oder Talfahrten zu vermeiden:
- Regelmäßige Zuckerkontrollen sind während und nach dem Sport unverzichtbar, da Unterzuckerungen beim Sport nicht so leicht wahrgenommen werden können.
- Die meisten Sportler streben einen Ausgangszucker von 150-180 mg/dl (8,3-10 mmol/l) an, je nach aktuell wirkender Insulinmenge,Trainingszustand u.a.
Bei gefährlichen Sportarten ist ein höherer Ausgangswert anzustreben. - Zur Vermeidung von Unterzuckerungen immer mindestens eine Sport-KE/BE bereithalten. Je länger der Sport dauert, desto mehr Zusatz-Kohlenhydrate werden benötigt. Bedenke kurz vorm Start bzw. während des Sportes nur noch schnell verfügbare Kohlenhydrate zu wählen wie beispielsweise Saft, Saftschorlen, Traubenzucker.
- Bei Insulinpumpen-Trägern kann eine Absenkung der Basalrate im Vorfeld hilfreich sein. Bei Verwendung von Analoginsulinen ist dies beispielsweise 1-2 Std im Voraus empfehlenswert, da die maximale Insulinwirkung mit Zeitverzögerung eintritt.
Je nach Sportart, wird die Pumpe von einigen Sportlern für die Dauer des Sportes auch ganz abgelegt. - Ist Sport vor dem Frühstück geplant, kann es ratsam sein, das gespritze Basalinsulin (in Abhängigkeit von Insulinart, Intensität und Trainingszustand) schon am Vorabend anzupassen.
- Bei Ausdauersport von mehr als 1-2 Stunden Dauer kann eine deutliche Anpassung des Mahlzeiten- und Korrekturinsulins erforderlich sein.
- Ganztagesaktivitäten erfordern häufig ein Reduktion des Mahlzeiten- und Basalinsulins in den darauffolgenden 24 h nach Aktivität. In der Praxis zeigt sich, dass z.B. nach einer Ganztagesradtour eine Reduktion des Basalinsulin um ca. 30-50% nächtliche Unterzuckerungen verhindern kann.
- Bei Typ-1-Diabetes ist es empfehlenswert spätestens 90 Minuten nach dem Training etwas zu essen, um das Risiko für Hypoglykämien zu senken. Speziell wenn nachmittags oder abends trainiert wurde, kann eine Anpassung des Mahlzeiteninsulin nötig sein. Bei Korrekturen von erhöhten Werten, empfiehlt es sich, den Korrekturfaktor um mindestens 60 - 80% zu senken. Auch kleine Zusatz-Snacks mit Fett und Eiweiß vor dem Schlafen, helfen den Blutzucker zu stabilisieren.
- Nachdem es beim Krafttraining zunächst zu erhöhten Werten kommen kann, ist in den darauffolgenden 6 Stunden ein Abfallen des Insulinbedarfs möglich, da die Zuckerreserven wieder befüllt werden. Beachte hier, dass eventuell auch eine spätere Anpassung des Insulins erforderlich sein kann.
- Besondere Vorsicht gilt bei Alkohol nach dem Sport, da durch den Alkoholabbau die Zuckerfreisetzung aus der Leber gehemmt wird. In diesem Fall überlappen sich die erhöhte Insulinempfindlichkeit und die reduzierte Zuckerfreisetzung. Hier auch wieder das Insulin gegebenenfalls anpassen und Traubenzucker parat halten!
Was ist sonst noch zu beachten?
Bei Hypoglykämie-Symptomen sollte man den Sport sofort abbrechen.
Und wenn du Typ-1-Diabetes hast und mit einem erhöhten Blutzucker in den Sport startest, also Werten > 250 mg/dl (14 mmol/l), miss auf jeden Fall vorher Ketone bevor du dich auspowerst. Sind Ketone vorhanden, darf auf keinen Fall Sport getrieben werden, da sonst die Entstehung einer Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose) angefeuert würde.
Quellen:
Thurm,U, Gehr, B, Diabetes-Sportfibel, 4. Auflage
Subito-Schulungsprogramm
Dieser Artikel wurde im September 2020 überarbeitet.
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