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Alltag mit Diabetes

Schwanger mit Typ 1 Diabetes - Wie soll das funktionieren?

7.5.2020 von Marlis Schosser

Schwanger mit Typ 1 Diabetes - Wie soll das funktionieren?

Mit einer guten Blutzuckereinstellung und den richtigen Therapie-Settings ist es absolut möglich, eine Schwangerschaft mit Typ 1 Diabetes sehr gut zu meistern. Und für mich ist es eine der schönsten Phasen meines Lebens!

Schwanger mit Typ 1 Diabetes? Das schaffe ich niemals. Das war über viele Jahre hinweg meine Einstellung. Außerdem muss doch nicht jede Frau Kinder bekommen, oder?

Mein Name ist Marlis. Ich bin 37 Jahre alt und lebe seit 19 Jahren mit Typ 1 Diabetes. 

Die ersten 6 Jahre mit Diabetes waren eine einzige Katastrophe, aber das ist Stoff einer anderen Geschichte. In den letzten 13 Jahren kam ich relativ gut klar mit meinen Blutzuckerwerten.

Mein HbA1c blieb konstant zwischen 6-7% und im Großen und Ganzen fühlte ich mich kaum eingeschränkt durch meine Therapie. Ganz im Gegenteil: ich sah Diabetes oftmals als Chance und schließlich kam ich auch auf diesem Weg zu meinem Job bei mySugr. 

Trotzdem sah ich keinen Weg, wie man als Typ 1 Diabetikerin seinen Blutzucker während einer Schwangerschaft konstant zwischen 60-140 mg/dl halten sollte und das über 9 Monate hinweg. 

Ich habe versucht, solange wie möglich in diesem Zielbereich zu bleiben und bin jedes Mal nach spätestens 7 Tagen kläglich gescheitert. 

Somit war klar für mich: Schwangerschaft - Nein danke!

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Kind oder Karriere?

Seit 8 Jahren arbeite ich bei mySugr. Damals war ich die erste offizielle Angestellte, neben den 4 Gründern und 2 Freelancern. 

Anfangs habe ich jede Aufgabe übernommen, von Customer Support, User Interviews, Botengänge zur Post oder zum Copyshop bis hin zu Kaffee kochen für unsere Gäste. 

Mit der Zeit gaben mir die Gründer immer mehr Verantwortung und irgendwann durfte ich die “Head of Product” Rolle übernehmen und war somit verantwortlich für alle Produkte, die mySugr entwickelte. 

Dieser Job war auch mit ein Grund, warum ich mir noch weniger vorstellen konnte, ein Kind zu bekommen. Ich liebte diese Rolle und die Verantwortung, die diese Position mit sich brachte und war extrem stolz auf meinen Werdegang. 

Nur Schwangerschaft und Kindererziehung passen zu so einem Arbeitsalltag auf keinen Fall und schon gar nicht, wenn man sich noch zusätzlich um stabile Blutzuckerwerte kümmern muss. 

Finanziell unabhängig zu sein und Erfolg im Beruf zu haben waren für mich einfach wichtiger als eine Familie zu gründen. 

Es hat lange gedauert, bis ich mir zugetraut habe, zum Einen die enorme Verantwortung zu übernehmen, die eine Schwangerschaft mit Typ 1 Diabetes mit sich bringt und zusätzlich zu akzeptieren, dass ich beruflich für ein paar Jahre zurückstecken muss.

Nun ist es aber soweit und ich bin selbst im 6. Monat schwanger mit Typ 1 Diabetes und ich kann immer noch nicht fassen, was für eine unglaublich emotionale Reise es bis hierher war. 

Noch hab ich 3 weitere Monate vor mir und die letzten 6 Monate waren von emotionalen Höhen und Tiefen geprägt. Trotzdem kann ich nur sagen, dass das letzte halbe Jahr zu den schönsten Phasen meines bisherigen Lebens gehört.

Wie ich mich auf die Schwangerschaft vorbereitet habe

Bevor mein Freund und ich wirklich versuchten schwanger zu werden, habe ich mir ein halbes Jahr Zeit genommen, meinen Diabetes so gut wie möglich einzustellen, d.h. meine Basalrate, meine Kohlenhydratfaktoren und Korrekturfaktoren wurden getestet und angepasst. 

Mein Ziel war es meinen HbA1c Richtung 6% oder vielleicht sogar unter 6% zu bekommen. 

Zusätzlich habe ich meinen Zyklus genau studiert, um zu wissen, wann welche Hormone wirken, wann die Ovulation stattfindet und wie sich das auf meinen Blutzucker auswirkt.

Meine Ärztin hat mir nämlich auch erklärt, dass es wichtig ist, die Blutzuckerwerte bereits während des Eisprungs möglichst im Zielbereich zu haben. 

In dieser Phase habe ich auch herausgefunden, dass simples Spazierengehen einen unglaublich positiven Einfluss auf meine Blutzuckerwerte hat. Genauer gesagt, sobald mein CGM mich gewarnt hat, dass mein Sensor-Glukosewert in 30 Minuten die obere Grenze des Zielbereichs erreicht, bin ich in meine Laufschuhe gesprungen und los spaziert. 

Dieses Verhalten habe ich seither konsequent durchgezogen und konnte so sehr viele Blutzuckerspitzen frühzeitig abfangen. Das ist zwar anstrengend, manchmal auch extrem nervenaufreibend und in der Realität leider auch nicht immer umsetzbar, speziell wenn man arbeiten geht, aber für mich trotzdem die effektivste Methode den Blutzucker unter 140 mg/dl zu halten. 

Nach diesen 6 Monaten hatte ich einen HbA1c von 5,8% erreicht, der niedrigste Wert der jemals bei mir gemessen wurde und kurz darauf bin auch wirklich schwanger geworden.

Hurra, ich bin schwanger! Und jetzt?

Nach der anfänglichen Freude folgte allerdings die absolut härteste Phase der bisherigen Schwangerschaft. Nun bin ich erst im 6. Monat und weiß nicht, was noch auf mich zukommt, aber bis zum jetzigen Zeitpunkt war das erste Trimester mit Typ 1 Diabetes unfassbar herausfordernd. 

Grund dafür war, dass die Hormone, die zu Beginn der Schwangerschaft wirken, zu vielen Unterzuckerungen führten. Bei mir hat das speziell in der 9. Schwangerschaftswoche stark zugenommen. 

Während der Nacht war mein Blutzucker im Keller, allerdings folgte am nächsten Tag die Wirkung der Gegenregulation durch die Leber und mein Blutzucker stieg tagsüber extrem an. 

Während des Tages spritzte ich teilweise irre Mengen an Insulin, um den Blutzucker konstant im Zielbereich zu halten und zusätzlich bin ich, so oft es die Arbeit zuließ, spazieren gegangen. Manchmal bis zu 20 km pro Tag. 

Es gab auch Phasen, wo sich meine Insulinpumpe praktisch die komplette Nacht über ausgeschalten hat. Zum Glück trage ich eine Insulinpumpe + CGM System. 

Meine Pumpe reagiert auf die gemessene Sensorglukose und stoppt ab einem gewissen Grenzwert die Insulinzufuhr automatisch bzw. schaltet sie automatisch wieder ein. Diese Funktion war absolut essentiell für mich in dieser Phase, um einigermaßen die Nächte zu überstehen. 

Allerdings wäre ich auch ohne meinen Freund komplett aufgeschmissen gewesen. Er hat mich mehrmals in dieser Zeit, so lange mit Traubenzucker gefüttert, bis ich wieder ansprechbar war. Das war das erste Mal, dass ich wirklich Angst hatte alleine schlafen zu gehen weil ich nicht wusste, ob ich am nächsten Tag wieder aufwachen werde. 

Das zweite Trimester

Nach den ersten 3-4 Monaten ging diese Phase aber vorbei und es folgten die absolut besten Wochen. 

Ab der 16. Woche wurde ich in vorzeitigen Mutterschutz geschickt, der Arbeitsstress fiel weg, meine Blutzuckerwerte stabilisierten sich und meine Energie war endlich wieder zurück. Ich genoss diese Phase in vollen Zügen. 

Mit Hilfe meiner Diabetologin konnte ich den Insulinbedarf perfekt einstellen. Ich ging zwar nach jeder Mahlzeit spazieren, um die Insulinsensibilität zu verbessern und dadurch die postprandialen Werte flach zu halten, aber abgesehen davon gab es keine gröberen Schwierigkeiten.

Speziell die Schwangerschaft bei Typ 1 Diabetikerinnen wird als Hochrisikoschwangerschaft bezeichnet. Normalerweise wird das Wachstum des Kindes streng kontrolliert um notfalls frühzeitig eingreifen zu können. 

Zusätzlich werden Blutzuckerwerte, HbA1c, Blutdruck, Gewichtszunahme der Mutter, sowie die Eiweißausscheidung über den Harn regelmäßig überprüft um etwaige Komplikationen rechtzeitig zu erkennen. Nun kann es aus verschiedenen Gründen vorkommen, dass diese Kontrollen nicht regelmäßig stattfinden können. Umso dankbarer bin ich meinen Arbeitskollegen für ihren Einsatz. 

Über die mySugr App kann ich all die oben genannten Daten selbstständig von zu Hause aus tracken und mit meinen Ärzten online teilen. Speziell der geschätzte HbA1c gibt mir extrem viel Sicherheit, dass ich meine Werte unter Kontrolle habe und das Wachstum meines Kindes nicht negativ beeinträchtigt wird. 

Obwohl ich in den letzten Wochen kaum Kontrolluntersuchungen hatte, fühlte ich mich extrem sicher, speziell auch weil meine Diabetologin online immer ein Auge auf meine Daten hatte.

Marlis mit ihrem Babybauch

Typ 1 Diabetes und Schwangerschaftsprobleme

Mittlerweile befinde ich mich im dritten und somit letzten Trimester und ich kann nur sagen, bisher verlief alles wunderbar. Ich bin wohl eine der wenigen Schwangeren, die absolut keine der üblichen Schwangerschaftsprobleme hatte. 

Ja, ich habe Typ 1 Diabetes und ja, diese Tatsache bringt bereits genug Probleme mit sich, aber es ist schaffbar. Ich fühle mich absolut großartig und hatte noch niemals in meinem Leben so viel Vertrauen zu meinem eigenen Körper. 

Wie ich zu diesem neu gewonnenen Selbstvertrauen gefunden habe, ist mir selbst ein Rätsel. 

Vielleicht hilft das tägliche Meditieren und Yoga praktizieren, vielleicht ist es der generelle Ausnahmezustand, der uns plötzlich auf das Wesentliche fokussieren lässt, vielleicht ist es aber auch einfach nur die unglaubliche Freude auf unser noch ungeborenes Kind, dass diese mentale Veränderung bewirkt hat. Ich weiß es nicht. 

Worauf muss ich besonders achten?

Eines kann ich mit Sicherheit sagen, ich war definitiv keine perfekte Diabetikerin während meiner Schwangerschaft. 

Ich habe zwar mittlerweile den unfassbaren HbA1c Wert von 4,7% erzielt, ein Wert der für mich absolut unerreichbar schien, aber waren meine Blutzuckerwerte immer zwischen 60 und 140 mg/dl? Nein, definitiv nicht! 

Man kann nur jeden Tag versuchen, sein Bestes zu geben, mehr ist nicht möglich. Bisher hat sich unser Kind gut entwickelt und im Moment gibt es keine Anzeichen, dass etwas schief laufen könnte. 

Ich weiß, dass das dritte Trimester noch einige Herausforderungen bereithält. Von nun an steigt nämlich der Insulinbedarf stetig an, um dann kurz vor der Geburt auf den ursprünglichen Bedarf wieder zurückzugehen. 

Was das bedeutet? 

Ständige Dosisanpassungen, ständige Blutzuckerkontrollen, viele Sensoralarme und möglicherweise einige schlaflose Nächte. 

Ich bin schon gespannt, vielleicht auch ein bisschen nervös, weil einem niemand sagen kann, wie sich der Insulinbedarf genau ändert. Ich weiß nur, dass ich trotz alledem möglichst in meinem Zielbereich bleiben sollte. 

Ich werde also auch wie bisher versuchen Ruhe zu bewahren, regelmäßig meinen Blutzucker kontrollieren und spazieren gehen. 

Auch wenn sich der Blutzucker manchmal komplett unvorhersehbar verhält, und man diese Situation meist als ungerecht erlebt, nichts und niemand kann einem diese unglaubliche Freude nehmen, die mein Freund und ich jedes Mal empfinden wenn wir abends auf der Couch zusammen sitzen und die Tritte unserer Kleinen spüren. 

Kinder sind anstrengend, das höre ich ständig von allen Seiten und wie man da noch eine Diabetestherapie managen will, weiß ich noch nicht, aber die momentane Vorfreude auf unser Kind ist so groß, dass ich mir nicht vorstellen kann, irgendetwas jemals zu bereuen.

Kann ich trotz Diabetes eine Schwangerschaft meistern?

Falls sich auch andere Typ 1 Diabetikerinnen, so wie ich damals fragen, wie man die Diabetestherapie während der Schwangerschaft unter einen Hut bringt, dann kann ich euch nur Mut machen. 

Es ist absolut möglich, diese herausfordernde Zeit zu bewältigen. 

In meinem Fall lief es sogar weitaus besser als ursprünglich gedacht. Man muss nicht perfekt sein, man muss nur versuchen, jeden Tag sein Bestes zu geben. Alles andere kommt, wie es kommt!

Hier noch ein paar Tipps, die mir sehr während dieser ganzen Phase geholfen haben. Vielleicht sind sie auch von Nutzen für andere schwangere Typ 1 Diabetikerinnen:

  • Eine gute Einstellung der Therapie-Settings und ein Verständnis für den weiblichen Zyklus entwickeln, noch bevor man versucht schwanger zu werden hat mir sehr geholfen.
  • Bewegung, Bewegung, Bewegung! Egal ob spazieren gehen, Yoga, schwimmen oder was auch immer einem Freude macht. Speziell das Spazieren gehen hat mich unterstützt meine Time in Range auf 90% zu bekommen. 
  • Essen splitten! Ich gebe mir immer den vollen Bolus, esse aber nur die Hälfte der Mahlzeit. Den Rest esse ich ca. 1 Stunde später. Ist zwar fürchterlich mühsam, hilft aber extrem den postprandialen Blutzuckeranstieg abzuflachen.
  • Hypos vermeiden! Meine vielen Unterzuckerungen waren der Grund für den Blutzucker-Rollercoaster im 1. Trimester. Wenn man es schafft die Hypos zu vermeiden, bleibt der Blutzucker generell stabiler. 
  • CGM zulegen! Ein CGM ist für mich absolut unerlässlich, um den Zuckerspiegel möglichst im Zielbereich zu halten. Im Prinzip ist es egal, welches CGM man sich zulegt, aber eine kontinuierliche Glukosemessung hilft enorm, um im Zielbereich zu bleiben.
  • Ein Online Blutzuckertagebuch benutzen! Speziell während der aktuellen Covid-19 Situation, wo physischer Kontakt zu Ärzten eingeschränkt wird, ist ein Online Tagebuch, um Daten mit dem Arzt teilen zu können absolut essentiell. Aber auch vor Corona hat mir meine Tagebuch App extrem geholfen, meinen Tag im Überblick zu behalten, um so bessere Therapieentscheidungen zu treffen.
  • Zum Schluss muss ich noch erwähnen, dass ein liebevoller Partner wohl zu den wichtigsten Dingen zählt. Egal ob mit oder ohne Diabetes, eine Schwangerschaft zählt wohl zu den emotionalsten Phasen eines Lebens. Eine liebevolle Umarmung kann manchmal mehr unterstützen als 1000 Worte.
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Die mySugr Website bietet keine medizinische oder rechtliche Beratung. mySugr Blog-Artikel sind keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern dienen lediglich der Information.
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Marlis Schosser

Marlis ist Head of Product Management bei mySugr. Sie lebt seit 2001 mit Typ 1 Diabetes und hat es sich speziell während ihres Studiums der Ernährungswissenschaften zu ihrer Aufgabe gemacht Kindern und Familien, die durch eine Diabetes Erkrankung betroffen sind,  zu unterstützen. 

Marlis durfte zweimal als Teil des Young Leaders in Diabetes Program, Österreich beim Internationalen Diabetes Kongress vertreten.

Als Ausgleich zur Arbeit und den ehrenamtlichen Aufgaben im Diabetesbereich praktiziert Marlis leidenschaftlich gerne Yoga. In diesem Interview berichtet sie über ihre Erfahrungen, wie Yoga sich positiv auf den Diabetes auswirken kann: Diabetes und Yoga - Balsam für den Blutzucker.