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Diabetes Wissen

FPE - das schleichend-langsame Diabetes-Monster

13.7.2018 von Miriam Stangs

FPE - das schleichend-langsame Diabetes-Monster

Hoher Blutzuckerwert und keinen Plan warum. Ihr kennt das! Da hast du die Kohlenhydrate richtig berechnet und dennoch hängt der Blutzucker Stunden nach dem Essen irgendwo in höheren Sphären herum. Schon mal Gedanken über FPE, die sogenannten Fett-Protein Einheiten gemacht?

Leider ist das Thema sehr komplex und nicht immer leicht im Alltag zu händeln, aber es ist auf jeden Fall hilfreich ein bisschen mehr darüber zu wissen. Aufgrund seiner Zusammensetzung gelangt unser Essen unterschiedlich schnell ins Blut. Während gekochter Fisch beispielsweise 1-2 Stunden im Magen verweilt, hat ein Stück Rindfleisch eine Verweildauer von ca. 4-5 Stunden. Und Reis verweilt mit 1-2 Stunden deutlich kürzer als Bratkartoffeln mit 3-4 Stunden. Je fester die Textur ist oder je fettiger oder ballaststoffreicher Lebensmittel sind, desto langsamer werden diese deinen Blutzucker erhöhen.

Seitdem es kontinuierlich messende Glukosesensoren gibt, sieht man deutlich, dass sich nicht nur Kohlenhydrate auf die Glukosekonzentration im Blut auswirken. Auch Fette und Proteine können berücksichtigt werden, wenn es darum geht, auszurechnen, wie viel Insulin für eine Mahlzeit benötigt wird. Normalerweise wird dies mit dem BE/KE-Faktor abgedeckt. Der Kohlenhydratfaktor ist sozusagen ein Mischfaktor und deckt auch immer ein bisschen das Fett und Protein mit ab. Fett und Proteine haben jedoch erst zeitverzögert Einfluss auf den Blutzucker und besonders wenn man Mahlzeiten mit einem großen Fett Protein Gehalt verzehrt oder gar eine kohlenhydratfreie aber fett- und proteinreiche Mahlzeit isst, beispielsweise einen Salat mit Steak, ist es hilfreich sich der Wirkung bewusst zu sein, um das Diabetes-Monster besser zähmen zu können.

Was passiert genau im Körper?

Proteine können den Blutzucker über 2 Wege beeinflussen. Beim Verzehr größerer Eiweiß-Mengen (>30g/ Mahlzeit) können Proteine in der Leber in Zucker umgewandelt und ans Blut abgegeben werden. Ein Ei hat nur 7g Protein, ein 200g Steak hingegen schon 50g Protein und nimmt somit noch Stunden später Einfluss auf den Zuckerverlauf. Außerdem können bestimmte Eiweißbausteine die Bauchspeicheldrüse stimulieren Glukagon freizusetzen. Das ist der Gegenspieler zum Insulin und sorgt dann dafür, dass die Leber prompt Zucker aus ihren Speichern ans Blut abgibt. Weil Proteine langsam und zeitverzögert den Blutzucker erhöhen, werden sie auch gern vor der Nacht in Form als Spät-Snacks empfohlen um nächtlichen Unterzuckerungen vorzubeugen. Fette nehmen ebenfalls in zweierlei Hinsicht Einfluss. Ein Bestandteil vom Fett das sogenannte Glycerin wird für die Zuckerneubildung genutzt und kann noch 6-8 Stunden später für steigende Blutzuckerverläufe sorgen. Nach dem Fettverzehr schwimmen außerdem reichlich Fettsäuren durch unsere Blutbahnen, welche uns insulinresistent machen. Das bedeutet, dass wir mehr Insulin benötigen, um den Zucker in die Zellen zu transportieren.

Wie berechnet man nun FPE´s ?

Je größer der Fett-Protein-Anteil einer Mahlzeit ist, desto wichtiger wird es, diese zu berücksichtigen und desto länger hält die Wirkung an. In Stunden bedeutet das:

1 FPE (100 kcal) über 3 Stunden

2 FPE (200 kcal) über 4 Stunden

3 FPE (300 kcal) über 5 Stunden

4 FPE und mehr über 7-8 Stunden

Meistens wird pro FPE eine Einheit kurzwirksames Analoginsulin oder Normalinsulin benötigt. Manche berichten auch, dass es ihrem KE/BE-Faktor entspricht - taste dich langsam heran. 100 kcal aus Fett und Eiweiß = 1 FPE Der Wert ergibt sich aus den Kalorien von Fett und Eiweiß. 1 g Fett = 9 kcal und 1 g Eiweiß = 4 kcal

Es gibt zwei mögliche Varianten zur Berechnung der FPE:

Rechenweg Variante 1:

(Fett in g x 9) + (Protein in g x 4) = Gesamtkalorien aus Fett und Protein

Gesamtkalorien aus Fett und Protein : 100 = FPE

Beispiel:

Pizza-Salami (TK): kcal 863, Kohlenhydrate 107,9 g (gerundet 11 KE), Fett 31,9 g, Eiweiß 36,5 g 31,9 g x 9 kcal = 287,1 kcal + 36,5 g x 4 kcal = 146 kcal

_____________________

Summe: 433,1 kcal 433,1 kcal : 100 kcal = 4,33 FPE

verwendet werden 4 FPE

Rechenweg Variante 2:

11 Gramm Fett = 1 FPE berechnet (g Fett : 11=FPE) 25 Gramm Proteine = 1 FPE berechnet (g Proteine : 25= FPE)

Beide Ergebnisse zusammen = Anzahl der Gesamt FPEs

Beispiel:

Döner (360g): kcal 670, Kohlenhydrate 53 g (5 KE) Fett: 24 g, Eiweiß 25 g 24 g / 11 = 2,2 FPE 25 g / 25 = 1 FPE

____________________

Summe: = 3,2 FPE, verwendet werden 3 FPE

Pumpe oder Pen - wie kannst du es umsetzen?

Wenn du eine Insulinpumpe hast, ist das Einbauen der zeitlichen Verzögerung gut möglich. Die Abgabe des Insulins sollte mit einem verzögerten Bolus oder einem kombinierten/dualen Bolus erfolgen. Im Falle eines dualen Bolus nimmst du für den direkten Anteil deine berechneten KE/BE und für den Verzögerungsanteil die berechneten FPE´s. Bei einer Therapie mit Pen/Spritze ist das Einbauen der Verzögerung etwas schwieriger, aber nicht unmöglich. Dabei ist langsames Herantasten gefragt. Die Zuckeranstiege kommen zeitverzögert je nach verzehrter Fett-Protein-Menge bis zu 8h Stunden später. Kurzwirksame Analog-Insuline (z.B. NovoRapid oder Humalog) haben ihre Hauptwirkung innerhalb der ersten 2-3 Stunden, was sich nicht mit den verzögerten Anstiegen deckt.

Drei Varianten, wie man den verzögerten Anstieg mit dem Pen/Spritze abfangen kann

Variante 1: Kleinere FPE Mengen (bis 4 FPE) mit Normalinsulin, z.B. Actrapid oder Berlinsulin Normal abdecken. Deren Wirkdauer liegt bei 4-6 Stunden.

Variante 2: Größere FPE-Mengen mit langwirkenden Insulin wie z.B. Protaphane oder Insuman Basal abdecken. Wirkdauer 8-12 Stunden.

Variante 3: Bei Verwenung von kurzwirksamen Analoginsulins, misst du nach der Mahlzeit alle paar Stunden den Zucker und gibst für den späten Anstieg kleine Korrekturmengen.

Zugegeben, die ganze Rechnerei klingt schon irgendwie recht kompliziert und nach Aufwand. Es lohnt sich aber. Und wie es mit so vielen Dingen ist, am Anfang ist es holprig, und dann wird es immer einfacher. Manche Diabetiker berichten auch, dass sie nach anfänglichem genauen Berechnen der FPE über die Zeit hinweg in einen “Pi mal Daumen” Modus schalten, basierend auf den gesammelten Erfahrungen. Wie und ob du die Berechnung von Fett-Protein-Einheiten im Alltag einsetzt, besprich mit deinem betreuenden Diabetesteam. Du kannst ihm gerne von der “Pizza-Salami-Studie” von 2010 berichten, die zeigte wie sinnvoll FPE Berechnung sein kann. Das Thema ist noch nicht überall bekannt, da man eben auch erst in den letzten Jahren den Einfluss so richtig erkennen konnte.

Autoren: Michèle Theißen, Miriam Stangs

Die mySugr Website bietet keine medizinische oder rechtliche Beratung. mySugr Blog-Artikel sind keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern dienen lediglich der Information.
Die medizinischen oder ernährungswissenschaftlichen Informationen auf der mySugr Website ersetzen keine ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung. Wendet Euch bei allen Fragen, die Ihr hinsichtlich einer Erkrankung habt, stets an Eure Ärztin bzw. Euren Arzt.

Miriam Stangs

Miriam ist Diabetesberaterin DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft) und qualifizierte Diät- und Ernährungsberaterin VFED (Verband für Ernährung und Diätetik). Bei mySugr ist sie Diabetes-Coach im Homeoffice und umsorgt nebenberuflich Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1 in einer Kinderklinik.
Ihre Berufung hatte sie beim Ökotrophologie-Studium mit Schwerpunkt Ernährung an der HAW - Hochschule für Angewandte Wissenschaften im schönen Hamburg gefunden. In einer Praxis für Diabetologie hat sie Diabetes mellitus für sich entdeckt und berät seither Menschen aller Diabetestypen. 
Miriam lebt in ihrer Heimat, dem Bergischen Land, und sucht mit ihrer Hündin Wald- und Wiesen-Monster bei Suchspielen auf Wanderungen.